Urs Arthur Fuhrer
Freund, Ehemann, Vater, Weltenbummler, Künstler – wir vermissen dich …
Katalogwidmung von Piero Feliciotti
… die Hoffnung, einen Katalog zu machen, die ohne Zweifel, sich als unmöglich erweisen wird.
Der Katalog der Kataloge, die nicht nur sich selbst beinhalten. Der Katalog aller Augenblicke, in denen das Wunder des Lichts und der Erde, des Staubs und der Sonne, des Papiers und der Leinwand, des Kalks und des Eigelbs dazu beigetragen hat, etwas erblicken zu können. Mit der Einfachheit und der Qual, die Emily Dickinson zu eigen war. Fühlen können, dass die Unmöglichkeit, zu sehen einem aus der Tiefe des Bildes entgegen kommt. Aus der Rückwand des Bildes: Die Rückwand des Bildes-Rückens zu malen, das war immer der verzweifelte Versuch von Urs Arthur Fuhrer – oder vielmehr von demjenigen, der Ura Ur-Thur wurde. Und zwar ein ungezogener Strolch, vorlaut und stur, der eine Grimasse zieht und davon läuft, um woanders seine Streiche zu spielen. Immer anderswo. Denn jeder (er)trägt sein Schicksal bereits in seinem Namen. Bei einigen ist dies von Anfang an ersichtlich. Andere müssen ein ganzes Leben lang ein Anagramm zerlegen, um es wieder zusammensetzen: Ars Ur-thur. Sein Schicksal, das ihn immer in der Kunst gefangen gehalten hat, hat ihn gezwungen, zum Nomaden seines eigenen ursprünglichen Namens zu werden. Zum Ur-Zeichen.
„Jahre des Wanderns, der tragbaren Werkstätten, des Stöberns zwischen den Farben, den Schatten, den Eindrücken: Es waren Jahre des Rauschs, des sich Berauschens an der Schönheit, denn wenn die abstrakte Kunst eine Seele besitzt, dann befindet sich diese Seele in der vor-bildlichen Malerei, die vor dem Zeichen steht und die den Genuss der reinen Farbe zur Folge hat. Neununddreißig Jahre lang immer auf der Suche und auf der Flucht vor dem, was seit immer da war. Als er vierzehn Jahre alt war, wurde ihm eines Tages bewusst, was aus ihm werden würde: ein Maler. Er wäre nur – ausschließlich – ein Maler geworden. Maler – er begann, diesen Begriff, auf seinen Ausweis eintragen zu lassen, der ihm und seiner Koffer-Werkstatt überall voraus eilte. Er übte alle erdenkliche Berufe aus mit dem Bewusstsein, dass es irgendwo in der Erinnerung den Ort gab, von dem er geflohen war und der auf seine Rückkehr wartete, um ihn sagen zu hören: „Da, ich bin geboren! Um der Maler zu sein, der ich jetzt bin, habe ich das verprasst, was ich besaß. Das verspielt, was ich war, ohne es zu wissen“.
Es vergingen Jahre des Zusammensetzens und des Zerlegens. In denen ein endloser Scheiterhaufen verglimmte.
Irgendwann begann er, seine Bilder zu zerstückeln, um sie immer bei seinen Wanderungen bei sich tragen zu können. Um dies mit sich tragen zu können und auch um sie verkaufen zu können, denn so entsprechen sie dem Bedürfnis des Käufers, der auch auf der Suche des Lichts, einer Laune, einer Gefühlsäußerung ist, diese Bilder mit anderen zusammenbringen kann. Und weil nur „ein Museum dir alles abkauft“. Das Museum läßt irgendwie die Sehkraft erstarren. Raum und Auge werden ihrer Ausstrahlung beraubt. Das Museum verhindert, das, was am meisten interessiert – und zwar das Entstehen von Kunst, das work in progress (oder das Entstehen des Verlangens), das dem „wilden Gedanken“ entspricht, dem Gedanken eines aus Bruchstücken geformten Lebens. Denn das wichtigste ist das Transportieren. Zunächst malte er Bilder, dann zerstückelte er sie um daraus Ausweise zu machen. Und so brauchte er die Bilder nicht zu signieren. Jeder Ausweis war ein Einzelstück – das Ur-Zeichen – in dem bereits das ganze Bild zu sehen war, und zwar in einem feinsinnigen und intensiven Pinselstrich von Velasques. Es ist Schriftrolle, die die Leinwanddecke in der Niederlage der Stadt Bremen besiegelt. Ein Werkstatt-Koffer, in dem er sein eigenes Selbst formte und zerlegte, das, was gewesen war, das, was ihm vorauseilte und ihn verfolgte auf jedem Weg, den er gehen würde auf der Suche nach dem reinsten Ort, wo aus dem Nichts etwas entstehen kann. Dieses Nichts ist das Kostbarste, was wir besitzen. Es ist weder Erfahrung noch Ableitung. Dennoch ist Es – ist eins, mit dem Unterbewusstsein. Und im Engadin kann man auch die Farben von Segantini betrachten: das Lila der Felsen, die Trauer des Schnees. Segantini hat einmal gesagt, dass das Geheimnis der Lebensfreude in der Fähigkeit zur Liebe besteht, und das sich hinter jeder künstlerischen Kreation ein Liebesakt verbirgt. Und so kann er endlich einen Katalog machen. Denn er ist kein Nomade mehr – oder anders gesagt: er ist ein andere Nomade.

