Als Bewohnern der großen Städte scheinen uns die Jahreszeiten manchmal zu verschwimmen. Wahrscheinlich liegt das an der schnelllebigen Zeit und an der relativen Unabhängigkeit von Wind, Regen, von Hitze und Kälte während wir unseren Alltagsbeschäftigungen nachgehen. Wir bemerken nur die Extreme, denn der Alltag bleibt vom Wetter relativ unbeeindruckt. Der Firma, der Uni oder der Schule ist es egal wie kalt, wie warm, wie nass oder wie frostig es vor der Tür ist.
Dieser Winter 2018/19 war nicht überwältigend, er hat uns nicht besonders stark geplagt. Doch nun sagt der Kalender – es ist Frühling und wir freuen uns auf mehr Helligkeit! Unsere Knochen scheinen es noch nicht richtig zu glauben, doch unser Gesicht genießt die ersten Sonnenstrahlen, sobald die Wolken weichen.
Alle Qigong-Jünger wissen, mit dem Frühling kommt die Zeit der Reinigung, sowie der Energie-Aufnahme. Die Wochen und Monate der dunklen Jahreszeit haben uns energetisch unterversorgt. Es entstand ein Mangel an Sonne und Licht (Vitamin D). Der Verlust schlägt uns auf´s Gemüt. Dieses Defizit fördert ein emotionales Ungleichgewicht, das sich manchmal auch in Depressionen äußert und uns quält.
Dagegen können wir etwas tun.
Als Erstes, alles was uns der normale Menschenverstand empfiehlt: die Fenster öffnen, auch wenn es noch kühl ist, die Häuser verlassen, einen Spaziergang um das Carré. Frische Luft, Sauerstoff, Licht und Sonne rufen uns.
Die Qigong-Übungen müssen nicht extrem sein.
Kleine Exercises helfen schon gewaltig.
Drei Qigong Übungen
• Den Atem begleiten (Reinigung / Steigen & Sinken)
• 3 x Dantian füllen (Energieaufnahme / Öffnen & Schließen)
• Kleine Sonnenanbetung (Energieaufnahme / Zhong Dantian)
1. Den Atem begleiten (Steigen & Sinken)
Diese Übung ist ein gutes Beispiel, wie wir zum Qigong auch ohne Vorkenntnisse Zugang finden. Denn hier praktizieren wir eine Qigong-Miniatur ohne große, körperliche Herausforderungen. Ich beginne mit einer kleinen Bewegung, nehme dann die achtsame Atmung hinzu, danach die Beachtung der Struktur und kann weiterhin Stück für Stück, in Abhängigkeit von meinen Zielen, den Rahmen vergrößern und erweitern.
Diese Kleinigkeit ist sehr zu empfehlen am Beginn eines Kursabends, am Morgen, oder als Zwischenübung während einer Wanderung.Wenn wir unsere Körperstruktur beachten, kann die Übung das sogenannte »Steigen & Sinken« beinhalten.
2. Drei mal Dantian füllen (Öffnen & Schließen)
Neben »Steigen & Sinken« gehört »Öffnen & Schließen« zu den Basisübungen des Qigong. Jeder kennt sie unter verschiedenen Bezeichnungen als Solo-Übung, oder Teil-Übung in einer Qigong-Form.
In der Übung »Die 3 Dantian Füllen«, sammeln wir nun freies Qi und führen es den einzelnen, vorderen Dantian (siehe Skizze 3 Dantian) zu.
In den meisten Übungen wird die weitende Bewegung (Öffnen) der Arme und Hände, mit dem EIN-Atmen verbunden und die schließende Bewegung mit dem AUS-Atmen (zur Komprimierung der gesammelten Energie).
Diese Atem-Idee muss nun umgekehrt werden.
Die weitende Bewegung wird zur AUS-Atmung und die Schließende Bewegung wird zur EIN-Atmung. Die Aufgabe ist klar: Das Schließen bedeutet Energie aufnehmen, dem jeweiligen Dantian zuführen, sammeln. Das bedeutet, ich stärke, reinige meine 3 Dantian.
ÜBUNG: 3 x Dantian füllen »Öffnen & Schließen«
In der Übung 3 x Dantian füllen wird »Öffnen & Schließen« auf allen drei Ebenen, der vorderen Dantian durchgeführt. Es geht um das Sammeln von Energie mit
folgendem Atemrytmus und Atemziel:
EIN-Atmen = EIN / AUS-Atmen = AUS
Die Hände liegen auf dem Bauch (Xia Dantian).
Ich atme ruhig und gleichmäßig. Sammeln zur Vorbereitung der Übung.
Ich spüre mein Tiefes Zentrum unter den Händen.
Mit der nächsten AUS-Atmung öffnen sich meine Hände dem Raum
– ich umarme einen großen Qi-Ball:
1. Xia Dantian
EIN Die Hände nähern sich meinen Xia Dantian
Laogong (Handinnenfläche/Palma) schöpft Energie
und leitet zum Zentrum
AUS Die Hände öffnen sich wieder dem Raum (Qi-Ball)
verbrauchte Energie kann abgegeben werden
3 Wiederholungen
2. Zhong Dantian
EIN Die Hände nähern sich meinen Zhong Dantian
Laogong schöpft Energie und leitet zum Zentrum
AUS Die Hände öffnen sich wieder dem Raum (Qi-Ball)
verbrauchte Energie kann abgegeben werden
3 Wiederholungen
3. Chang Dantian
EIN Die Hände nähern sich meinen Shang Dantian
Laogong schöpft Energie und leitet zum Zentrum
AUS Die Hände öffnen sich wieder dem Raum (Qi-Ball)
verbrauchte Energie kann abgegeben werden
3 Wiederholungen
4. Zhong Dantian
EIN Die Hände nähern sich meinen Zhong Dantian
Laogong schöpft Energie und leitet zum Zentrum
AUS Die Hände öffnen sich wieder dem Raum (Qi-Ball)
verbrauchte Energie kann abgegeben werden
3 Wiederholungen
5. Xia Dantian
EIN Die Hände nähern sich meinen Xia Dantian
Laogong schöpft Energie und leitet zum Zentrum
AUS Die Hände öffnen sich wieder dem Raum (Qi-Ball)
verbrauchte Energie kann abgegeben werden
3 Wiederholungen
Laogong auf mein Xia Dantian ablegen.
Ruhig weiteratmen mit dem Fokus auf Xia Dantian.
Gedanklich die gesammelte Energie speichern. Übung abschließen.
3. Kleine Sonnenanbetung
A Frühlingsübung zur Energieaufnahme, zur Regulierung
emotionaler Dysbalancen sowie zur Harmonisierung des Mittleren Dantian (Zhong Dantian).
Ich stelle mich dem Licht oder der Sonne entgegen
Licht und Sonne erwärmt mein Gesicht, meine Haut. Ich atme tief und ruhig.
[Nicht im Wind arbeiten! Das würde eine andere Übung ergeben]
Vorstellung/Imagination:
Energieaufnahme über das Obere Dantian (Shang Dantian) zum Mittleren Dantian (Zhong Dantian).
Das bedeutet EIN-Atmung, neben Mund und Nase, über Stirn, 3. Auge, Scheitel, BeiHui (Hundert Begegnungen). Die AUS-Atmung zum Mittleren Dantian (Zhong Dantian) um zu speichern, regenerieren, entspannen.
Wie immer, werde ich mich nicht auf alle Ebenen konzentrieren können.
Ich lass mir Zeit und steigere mich – step by step.
Im Frühling benötige ich am dringendsten, neben der Reinigung, die Harmonisierung meines Gemüts, meines Herzens, meines Sonnengeflechts (Solarplexus). Deshalb ist die Beachtung des Oberen Dantian erst einmal zweitrangig – als „Eingangstor“ ist diese Ebene jedoch bedeutsam für die Energieaufnahme zur Mitte. Die Aufmerksamkeit liegt beim Herzen – beim Mittleren Dantian.
EIN-Atmung zur Mitte
Ich spüre die Weite, den Raum, genieße die Arbeit meiner Lunge. Die Atmung wird gefördert durch die Öffnung meiner Achseln und meiner Arme.
AUS-Atmung ist entspannt und ruhig.
Vorstellung/Imagination:
EIN-Atmung: Frische Energie strömt in mich hinein. Sie breitet sich aus. Sie füllt meine Lungen, stärkt mein Herz und mein Sonnengeflecht (Solarplexus). Licht und Sonne durchfluten mein Herz. Licht und Sonne stärken und heilen mein Mittleres Dantian. Ich öffne mich diesem nun inneren Leuchten und genieße es. Alles Dunkle, Belastende, Störende wird von diesem heilsamen Licht überstrahlt, verbrannt. Meine Sinne empfangen dieses heilende Leuchten – mit jedem EIN-Atmen ein wenig mehr.
AUS-Atmung: Entspannt und ruhig, lass ich das Licht in meine Mitte hineinsinken. Ich begleite die Ausbreitung dieses Leuchtens mit freundlicher Gelassenheit und Zuversicht. Es scheint, nach einer Weile der Übung, dass meine innere Mitte vom Licht durchflutet, nun beginnt nach außen zu strahlen. Mein Herz schlägt ruhig und kraftvoll. Meine Sinne sind wach und ebenso wie mein Gesicht lächelnd die Sonne und das Licht empfängt, lächelt nun mein Mittleres Zentrum der Sonne und dem Leben zu – entspannt und stark.
B Verstärkung der Übung unter Einbeziehung der Hände
Um die Übung zu verstärken ist es möglich die Handinnenflächen (Laogong-Tore) dem Licht und der Sonne zu öffnen. Das bedeutet die EIN-Atmung wird durch die Energieaufnahme der Laogong-Tore verstärkt. Die Energie fließt dann über Laogong beide Arme hinauf, bis Dazhui im Nacken und strömt von dort in das Mittlere Dantian.
BeBartel_03-2018